23.06.2019 – Anstrengend

Mein Papa war zu Besuch von Freitag morgen bis Samstag nachmittag, und es war sehr schön, aber auch echt anstrengend.
Am Freitag vor einem Jahr ist Mama ins Koma gefallen und nie wieder aufgewacht. Papa und ich haben ein bisschen über die Zeit geredet, wo sie im Koma lag, und waren auf dem Friedhof und haben eine Kerze für sie und S. angezündet. Ich habe auch in Papas Armen geweint und er meinte, er ist froh, uns noch zu haben (meine Schwester und mich) und ich hab ihm versoprochen, am Leben zu bleiben.
Wir haben auch darüber geredet, dass ich der Selbstverletzung abgeschworen habe. Weil ich es einfach nicht mehr will. Und er ist stolz auf mich und freut sich, dass ich es schon so lange ohne Sv geschafft habe, ca. 6 Wochen.

Und dann, gestern, als der ganze Trouble vorbei und Papa weg war, merkte ich, wie anstrengend das alles war. Und die ganzen negativen Gefühle kamen wieder bis hin zum SV Druck und starken Suizidgedanken und starken Ängsten.. Und dann war ich sauer auf mich, dass ich dieses Versprechen gegeben habe, aber gleichzeitig will ich ja auch gar nicht sterben, ich will nur, dass es leichter wird und es endlich mal voran geht.

Jetzt sitze ich in der WG, hab mich aus dem Bett gequält heute morgen, und bin hier hoch gelaufen, weil die Oberärztin das wollte. Und ich hatte gestern noch mega Angst davor. Aber zum Glück sind nicht so viele da und wir waren auch beim Frühstück nur eine kleine Runde, so dass ich auch etwas runter bekommen hab.

Die Essstörung ist unterschwellig sehr stark. Ich erbreche zwar nicht, aber ich kriege auch selten was runter. Und 3 Mahlzeiten am Tag schon lange nimmer. Freitag hab ich allerdings, Papa zur Liebe, 3 Mahlzeiten gegessen und hatte bis Samstag noch Bauchschmerzen. Gestern dann wieder nur ein Brötchen morgens und mittags Salamisticks. Und ich hab den Fehler gemacht, Süßkram zu kaufen. Gestern abend hatte ich dann einen kleinen Fressanfall: eine halbe Tafel Schokolade, eine Packung Koala-Bären, und 2 mal 50g Chips… und 3 oder 4 Caprisonnen. Ich packs ned. Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll, wenn ich wieder in der WG bin. Auf der einen Seite hab ich Angst, dass die Essstörung wieder Oberhand gewinnt. Auf der anderen Seite, fühle ich mich nicht in der Lage, aktiv was dagegen zu tun… Papa hat mich drauf hingewiesen, dass ich seit unserem letzten Treffen wohl mehr abgenommen hab, was natürlich sofort triggert, auch wenn er es nur gut meint und ja gar nicht weiß, was das in mir auslöst. Die Waage am Mittwoch sagte ähnliches – 3 kg in einer Woche. Freude und Angst zugleich. ich will das alles nicht mehr 😦 Aber irgendwie doch…

Ich hab auch Angst, dass sie mich die kommende Woche entlassen wollen. Ich pack das nicht. Noch nicht. Diesen straffen Wochenplan, diese ganzen Aufgaben und alles..

ich weiß nicht, wo oben und unten ist… aber ich muss irgendwie weiter machen.

19.06.2019 – vor einem Jahr

Ich erinnere mich noch an den Tag, als wäre es gestern gewesen. Ich lag im Bett, es war ca. 11 Uhr, und eine Betreuerin kam zu mir und sagte, wir würden uns alle in 15 Minuten im Gruppenraum treffen. Ich weiß noch genau, wie ich mich fühlte. Was ich dachte. Mir schoss sofort in den Kopf: Mit S. Ist irgendwas. Ich glaube, sie ist tot.

Ich ging also rüber. Alle saßen dort. Stillschweigend. Keiner wusste was los ist, aber gefühlt haben es sicher viele. Unser Gruppenleiter fing an zu sprechen. Ich weiß nicht mehr genau, was er gesagt hat. Irgendwas mit S., sie sei gestorben. Einige fingen sofort an zu weinen, andere blieben stumm. So auch ich. Er erzählte, dass sie sich das Leben genommen hat. Sie war aus der Klinik entkommen und hatte sich umgebracht. Wie sagte er nicht, das erfuhr ich erst später. Es war unaushaltbar. Ich stürmte in mein Zimmer. Wollte niemanden sehen, niemanden hören, nicht sprechen.

Dann gabs Mittagessen. Wir haben alle kaum was runter bekommen. Wir haben mit den Betreuern beschlossen, dass wir das Therapieprogramm am Nachmittag ausfallen lassen und weg fahren, weil wir es alle dort nicht ausgehalten haben. Und dann sind wir zum See gefahren. Und hatten irgendwie trotzdem Spaß.

Und dann.. ich weiß nicht mehr, wie lange später, gab es eine Verabschiedungsfeier. Zu dem Zeitpunkt war ich in der Klinik, in der geschlossenen, da Mama ins Koma gefallen war und in Lebensgefahr war. Ich wurde abgeholt und durfte mit zur Feier. Ich hab nur geweint. Im Arm einer Betreuerin. Ich zerbrach mir mal wieder mein Herz in 1000 Teile. Dann musste ich zurück in die Klinik. Auf die Station, von wo sie abgehauen war und sich umbrachte. Die meisten dort kannten sie natürlich. Sie war, bevor sie zu uns in die Wg kam, über ein Jahr in der Klinik hier.

Und heute. Heute bin ich wieder hier. Auf der Nachbarstation. Und… ich bin fertig. Nicht nur, weil sie tot ist. Sondern weil ich lebe. Es ist ungerecht. Aber ich mache weiter, für meine Familie.

18.06.2019 – schwere Depression

Sie sagen, ich brauch Geduld. Und Akzeptanz. Soll meine Ansprüche runter schrauben. Dann würde es erträglicher werden. Und ich soll das neue Medikament abwarten. Jetzt bekomme ich erstmal gar kein Antidepressivum und ab nächste Woche dann das neue. Ich hoffe so sehr. Dass es dann endlich besser wird. Denn ich weiß nicht, wie lange ich das noch aushalte..ich kriege irgendwie gar nichts mehr hin. Ich ertrage diesen Zustand nicht. Es ist alles so mühsam und vieles ist gar unmöglich im Moment. Wie tief kann man noch fallen?

Ich hab die letzten Wochen/Monate so viel dagegen gemacht und versucht. Und was ist? Es wird schlimmer. Und mittlerweile habe ich oft keine Kraft mehr, etwas dagegen zu tun… ich liege viel im Bett. Schlafe nachts nicht viel, dafür den halben Tag.. duschen wird zur Rarität, von Haare kämmen oder Zähne putzen ganz zu schweigen… ja, es ist mir unglaublich unangenehm. Aber ich muss es irgendwie mal aufschreiben.

Ich kann nicht mehr

15.06.2019 – Psychiatrisches System

Es ist Nacht, alles schlummert und es ist still, außer das leise Schnarchen und atmen meiner drei Mitbewohner. Irgendwie beruhigend. Die ganze Station ist still, den ganzen Tag schon, viele waren/sind im Wochenende. Ich wollte nicht.

Und da bin ich schon beim Thema: Am psychiatrischen System hängen.

Ich merke die letzten Tage, wie sehr ich an diesem System aus Schutz und Verantwortung abnehmen hänge. Zumindest momentan. Ich kriege Panik beim Gedanken, bald wieder in die Wg zu müssen. Nicht, weil es mir nicht gefällt, nein. Auch nicht, weil ich dort Probleme habe oder die Menschen nicht mag. Ganz im Gegenteil. Aber: Es überfordert mich im Moment so sehr. Der volle Tagesplan, die straffe Struktur, das alles kriege ich gerade nicht hin. Bzw. Ertrage ich nicht. Es ist zu viel. Es macht mir Angst, es setzt mich unter Druck.

Dann sollte es ja für den Moment okey sein, hier in der Klinik zu sein. Und es fühlt sich auch besser an, erleichternd.

Aber diese Frage: Flucht oder Auszeit?

Flüchte ich vor all dem? Sollte ich mich dem stellen? Oder ist es okey, die Auszeit zu nehmen, bis ich wieder stabiler bin? Ich schwanke zwischen den Möglichkeiten hin und her, diskutiere mit mir, bin zerrissen und finde keine klare Antwort.

Es jährt sich im Moment und den letzten Wochen vieles: Letztes Jahr Muttertag hab ich das letzte Mal Mama gesehen, jetzt vor einem Jahr das letzte Mal mit ihr telefoniert, kommenden Donnerstag das letzte Mal mit ihr geschrieben und ihre Stimme das letzte Mal gehört via Sprachnachricht. Und dann in der Nacht zu Freitag ist sie ins Koma verlegt wurden. Ich war auf einem Festival und mein Papa hat mir Sonntag erst Bescheid gesagt. Den Dienstag danach war ich bei meiner Familie und habe sie ein paar letzte Male im Koma gesehen und es war schrecklich. Danach musste ich in die Klinik. Und am 10.7.2018 ist sie dann für immer eingeschlafen. Und ich war hier. Wo ich jetzt auch bin. In der Klinik. Konnte nicht zu meiner Familie. Ich erlebe es immer und immer wieder, diese schrecklichen Wochen. Diese Anrufe, dieser Moment, wo ich mit der Ärztin und meiner Betreuerin im Arztzimmer sitze und mir die Nachricht überbracht wird. Die Verzweifelung, Angst, Trauer, Wut. Ja, ich erlebe es immer und immer wieder. Und es tut so weh, so so weh.

13.06.2019 – here I am again..

Tja, was soll ich sagen? Ich bin mal wieder in der Klinik. Aber ich habe mich selbst bei der Betreuerin gemeldet, da ich drängende Suizidgedanken hatte und dann bin ich für einen Tag auf die geschlossene gekommen.

Jetzt bin ich seit Diemstag auf der offenen und ja, mir fehlen die Worte, zu beschreiben, was los ist. Aber ich versuche es einfach mal.

Ich bin nur noch müde und will nur noch schlafen, weil ich die Gedanlen nicht aushalte. Weil ich flüchten und nicht denken will. Klappt er so semi gut, denn beim Schlafen habe ich Albträume vom Missbrauch und was dazu gehört oder von Mama und sowas. Trotzdem hab ich die letzte Woche mehr geschlafen als ich wach war. Ich hab hier jeden Tag mindestens ein Gespräch mit der Pflege. Heute habe ich vom Stationsleiter einen kleinen Anschiss bekommen, weil es so nicht gehen würde. Auch wenn ich die Therapien nicht schaffe, muss ich mich halbwegs an die Tagesstruktur halten; sprich Mahlzeiten und halt wach sein. Und ich soll mich mehr mitteilen. Erzählen, was los ist. Mir Ablenkung suchen und wenn ich selbst keine finde, die Pflege fragen. Die würde mir dann helfen. Jetzt war ich eben eine halbe Stunde im Park spazieren mit einer Pflegerin. Das tat gut. Alleine raus darf ich noch nicht.

Vermutlich geht es mir so schlecht, weil ich die Gedanken und Gefühle jetzt aushalten muss, weil ich mich nicht mehr selbstverletzen will, womit ich sonst immer alles weg gedrückt habe. Und sonst, wenn die sv nicht da war, wars die Bulimie zum Gefühle unterdrücken und auskotzen. Auch da hab ich mich gegen entschieden und jetzt muss ich erstmal einen neuen, konstruktiven Weg finden, damit umzugehen und es auszuhalten. Und das ist fucking schwer.. aber ich muss da durch, wenn ich was ändern will. Und ich schaff das, hoffe ich.

Mein Arzt ist etwas komisch zu mir, seit ich hier bin. Er versucht mir die Depression auszureden und ist der Meinung, so schlecht könne es mir ja gar nicht gehen, weil ich ja vor 2-3 Wochen noch in der Therapie vor ihm saß und gelacht hab. Ehm okey? Und ein neues Antidepressivum will er auch eigentlich nicht ausprobieren, weil ich ja gar nicht depressiv sei. Aber er wollte nochmal über meine Medis schauen und morgen ist OA-Visite, da werde ich nochmal nachfragen. Denn so ist das ja kein Zustand, geschweige denn irgendwie lange auszuhalten…

04.06.2019 – es nervt mich so

Es nervt mich einfach so. Diese ständigen Suizidgedanken, obwohl nichts dramatisches passiert ist. Oft kommen die Gedanken: „Ja da sterbe ich lieber!“ Weil irgendwas nicht gut läuft. Oder nicht mal wirklich schlecht läuft, aber anders als es geplant war oder ich mir vorgenommen habe. Das nervt mich so dermaßen. Ich verstehe es auch nicht. Das ist doch Quatsch. Und vor allem habe ich mich doch für das Leben entschieden und nicht dagegen. Es hinterlässt jedes Mal wieder 2026381 Fragezeichen in meinem Kopf und ich weiß nicht, was ich mit diesen Gedanken anfangen soll. Wollen sie mir was sagen? Mich auf etwas hinweisen? Wenn ja, finde ich es nicht raus, momentan.

Morgen ist wieder Psychotherapie. Und meine Motivation liegt bei -1000. Und ich weiß ebenfalls nicht warum. Es ist ja nichts dramatisches. Eine 3/4 Stunde reden über Depression. Meine Depression. Über Fakten der Depression. Symptome. Diary Card. Aber die Diary Card hab ich seit letzter Woche nicht einmal ausgefüllt. Mal schauen, was er dazu sagt.

Und es nervt mich, dass ich so viel vergesse. Wirklich vergesse. Wie ausgelöscht.

Es nervt mich auch, dass ich alles immer auf den letzten Drücker machen (muss), weil ich es vorher vergessen habe.

Es nervt mich, dass mir im Moment so vieles zu viel ist. Viel zu schnell viel zu viel.

Und es nervt auch, dass ich heute seit Ewigkeiten wieder verschlafen habe und diese Konsequenzen jetzt machen muss. Ich hab doch so schon keine Kraft und viel zu tun…

Und es nervt mich, dass mich alles (so viel) nervt.